Andreas
Weiß
(Filmemacher+Lebenskünstler)
geb. 4.1.1968
in Wolfenbüttel (Niedersachsen)
Sternzeichen:
Steinbock
Schule bis
kurz vorm Abitur, dann bewußt
abgebrochen
Zivildienst,
keine Berufsausbildung
1983-1986
erstes
Filmprojekt, (auf Super-8 gedreht)
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(Foto vom
Januar 2016,
Fotografin: Claudia Kristine Schmidt )
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(Foto aus dem Jahr 2001,
Fotograf: Robert Miehle )
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1986-1988
Erste Versuche
als Autor von Gedichten,
Kurzgeschichten, Serien-Drehbüchern,
Mitarbeit im
Verein "Charlie&Co", der in der
Kleinstadt Wolfenbüttel das "etwas
andere Kino" präsentierte
1988
Coming-Out,
während dieser Zeit entsteht das
in Versform gehaltene Drama
DEMASKIERUNG
um das Coming-Out eines schwulen
Märchenprinzen
1988-89
erste
Videofilme mit schwulen Themen
1990
Gründung des
Vereines KOMMUNIKULTUR e.V in
Braunschweig
(Ein
weiteres Gründungsmitglied des
Vereins ist übrigens Michael
Kluckas, der später in
mehreren Serien-Produktionen
mitwirkt, u.a. als Hausmeister im
Kulturbüro Traumtänzer.)
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1990
Umzug nach Berlin,
Gründung und
Leitung der Theatergruppe DEMASKIERUNG
( Einige Mitwirkende der Gruppe
erscheinen später auch in den
Video-Produktionen von A.W., u.a.
Angela Rosin-Hilley,
Andrea Pape, Andrea Paulus-Wellmann
und Michel )
1991 -
2008
Realisation zahlreicher Video- bzw.
Fernseh-Produktionen (s.u.).
Außerdem:
Tätigkeiten als
Kameramann&Co-Regisseur
beim Schauspielworkshop "8*12" von
Sonya Martin ,
sowie Realisation kleinerer
Auftragsarbeiten
wie z.B. Imagefilme und
Bewerbungsvideos.
Darüber hinaus Organisation
zahlreicher Kultur-Veranstaltungen für
den Verein Kommunikultur e.V., z.B.
das FILMCHENFEST PRENZL.BERG, ein
Amateurfilmfestival (Februar/März
2007)
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(Foto aus dem Jahr 2001,
Fotograf: Robert Miehle)
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2009
Am 2.Januar
2009 errichtete Andreas Weiß die "Stiftung
SCHWULFERNSEHEN". Nahezu alle von ihm in 25
Jahren (von 1983 bis 2008) geschaffenen Film-
und Videoproduktionen gingen an diesem Tag in
das Eigentum dieser Treuhand-Stiftung über,
die in Zukunft für die Pflege und den Erhalt
sowie die Veröffentlichung der Werke sorgt.
2011
Tätigkeit als freier Autor,
Entwicklung von Drehbuchideen
und Schreiben von Drehbüchern. Unter anderem entsteht
ein Konzept für eine
großangelegte Familiensaga mit
dem Titel "Das Haus der Familie
Silberwein".
2012/2013
Gemeinsam mit
zwei Autoren-Kolleginnen
Arbeit an einem Theaterstück
über die Bewohner eines
Altenheimes,
Arbeitstitel: Abendrot.
2014/2015
Schnitt des
Spielfilmprojektes "M46"
und mehrerer Kurzfilme
der Filmemacherin Lorna
Johannsen, u.a.:
Ariel, Hüter des Hauses,
Ein Zwerg und zwei
Kinder, Interview mit
einer Mistel,
Steckbrief: Krähe
und "Muß ein
Herrenwäscheverkäufer
homosexuell sein?"
2016
Schnitt des Kurzfilms
"RAUMkosmetik", der
unter der Regie von
Alexander Baier (Darsteller
in Berlin Boheme und
Sonntagsmänner) entstand.
2017
Kamera &
Schnitt bei weiteren
Projekten der
Filmemacherin Lorna
Johannsen, u.a.:
der märchenhafte
Kurzfilm "Geisterwelt against
Gentrifizierung",
(Foto vom September
2008, Fotograf: Frank Sandmann)
DIE PRODUKTIONEN
VON ANDREAS WEIß
DER JAHRE 1983 BIS 2009 IM ÜBERBLICK
(Wenn
nicht anders angegeben sind, hat Andreas
Weiß bei seinen Produktionen alle
Tätigkeiten
(außer der Mitwirkung als
Schauspieler/Darsteller) selber übernommen
,d.h. Entwicklung von Idee und Konzept,
Drehbuch, Casting,
Produktion,
Kamera, Regie, Schnitt,
Öffentlichkeitsarbeit etc.
Andreas Weiß hat auch - vor allem für
die Serien TraumTänzer und MontagsKinder -
einige Szenenfotos gemacht.)
1983-1986
: „WOLFENBÜTTEL“
Serien-Parodie , nicht als Video,
sondern auf Super-8-Material
gedreht
(mit Familienmitgliedern und
Freunden in den Hauptrollen)
1988-1989
: HENRYS ZIMMER und DER
ACHTUNDZWANZIGSTE HERBST
2 Videospielfilme à 60 min , mit
schwulem Inhalt
1989 :
MONTAGSKINDER (Urfassung der
Serie)
(es entstand nur eine auf VHS
gedrehte 30-minütige
Pilotfolge,
danach wurden die Dreharbeiten nicht
mehr fortgesetzt.
Die 1995 entstandene Serie hatte
dann mit dieser
Urfolge außer dem Titel nicht mehr
viel gemeinsam. )
1991
- 1993 : LICHT
UND SCHATTEN
(61 Folgen à 30 min)
Die 1.schwul-lesbische Drama-Serie
Deutschlands
1994 :
TRAUMTÄNZER
-DAS KULTURBÜRO
(27 Folgen à 30 min)
1994 :
PERMANENT MAKE UP
Imagevideo für Friseurin Wittke, 10
min
(hier: Kamera, Regie, Schnitt)
(Auftragsarbeit)
1994/1995
: HOLA
BERLIN
(6 Ausgaben à 45 min)
Spanisch-sprachiges Kultur-Magazin
(hier: Kamera, Regie, Schnitt)
(Moderatorin: Leonora
Düker (Gastrolle in TraumTänzer))
Februar
1995 – Januar 1996 : MONTAGSKINDER
(55 Folgen à 25 min)
Juni 1995
: HANDWERKER
pornographischer Kurzfilm, 10
min
(Darsteller: Hanno Ehrler (Fotograf
und Gastrolle in MontagsKinder))
Juli 1995 :
IRIS MILEWSKI
Bewerbungsvideo, 5 min
(hier: Kamera, Regie, Schnitt)
(Auftragsarbeit)
März
– Juli 1996 :
DAVID - Das schwule
Fernsehmagazin
(6 Ausgaben à 25 min)
Dezember
1996 – Mai 1997 : MONTAGSGESCHICHTEN
(30 Folgen à 30 min)
(Am Drehbuch einiger Episoden
haben Darsteller mitgewirkt, u.a.
Rainer Hillebrecht)
November
1997 :
MATERIAL FÜR DEN BEITRAG
„HOMOSEXUELLER MONTAG IM FILMRISS
FRIEDRICHSHAIN“
Kurzfilm, 10 min (Hauptrolle: Yvonne
Haß, in einer Gastrolle: Moni Luzi
Beyer )
Januar
– April 1998 : VON
MANN ZU MANN
(12 Folgen à 30 min) Erste
schwule Erotik-Serie im deutschen TV
Februar
1999 : DIE
MONTAGSPRODUKTIONEN
Dokumentation über die Serien
MK und MG (Länge: 5 Stunden)
Dezember
1999 – März 2000 : BERLIN
BOHÈME
(1.Staffel mit 11 Folgen à 24 min)
( Am Drehbuch zu 3 Episoden hat
Rainer Hillebrecht mitgewirkt)
Juni -
August 2001 : VIDEOPROJEKT X
Dokumentar-Pornographisches Video
(auf DVD als "Männer 2" erschienen)
September
2002 – Februar 2003 : BERLIN
BOHÈME
(2.Staffel mit 21 Folgen à 24 min)
( Am Drehbuch hat Marcus Lachmann
mitgewirkt,
für den Schnitt war hauptsächlich
Christian Vögeli verantwortlich)
April 2004
: BERLIN
BOHÈME
(3.Staffel mit 5 Folgen à 24 min)
( Zahlreiche Drehbuchautoren und
Regisseure haben mitgewirkt.)
März 2005 :
8 MAL 12
BERLIN
(Camera-Acting-Workshop
für 8 SchauspielerInnen)
(hier:
Kamera, Schnitt, Co-Regie)
(Leitung und Regie: Sonya Martin)
April 2005
: MÄNNER - BEIM SEX BEOBACHTET
Dokumentar-Pornographisches Video
August -
November 2005 : BERLIN
BOHÈME
(4.Staffel mit 16 Folgen à 24 min)
( Zahlreiche Drehbuchautoren und
Regisseure haben mitgewirkt.)
März 2007
: DER WAHNSINN UND SEIN EGO
(Kurzfilm mit Alexander Baier und Timo
Lewandovsky)
(hier:
Kamera & Schnitt) (Regie:
Michael Ritz)
August/September
2007 : SCHAUSPIELERVIDEOS
Demo-Erstellung für mehrere
SchauspielerInnen, u.a. Lisa Wenzel
und Natalie Korobenik
(Auftragsarbeiten)
Oktober/November
2007:
MÄNNER - BEIM
SEX BEOBACHTET
Dokumentar-Pornographisches Video
(weitere Produktion der Reihe)
Mai -
Dezember 2008 : SONNTAGSMÄNNER
(Erotiksoap
mit 20 Folgen à 30 min)
( Zahlreiche Drehbuchautoren haben
mitgewirkt.)
November
2009:
MÄNNER - BEIM SEX
BEOBACHTET
Dokumentar-Pornographisches Video
(vorerst letzter Teil der Reihe)
Foto: R.O.B.
"Andreas Weiß bei Dreharbeiten
zu VON MANN ZU MANN (1998)"
|
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Über
sich
selbst sagt Andreas Weiß:
"Ich bin ein typischer
Steinbock: stur, zäh, ausdauernd und
widerstandsfähig; ich stürze lieber vom
steilen Felsen in den Abgrund, als einen
Schritt zurückzuweichen. Auch meine manchmal
krassen Ansichten - Ablehnung von Konsum und
Luxus, alles muß einfach, praktisch und
realitätsnah sein, haben sicher was mit meinem
Sternzeichen zu tun!
Eine meiner Hauptantriebsmotivationen ist wohl
Trotz, ein "Jetzt erst
recht!"-Gefühl, weshalb ich Rückschläge
und Mißerfolge ganz gut wegstecken kann und
dann gerade weitermache!"
Und
über seine Serien-Produktionen:
„Meine Serien sind die ersten
schwulen Soaps in Deutschland! Sie unterscheiden sich
insofern von herkömmlichen Soaps, daß es
nicht nur ein oder zwei Alibi-Klischee-Homos
gibt, sondern die unterschiedlichsten
schwulen Charaktere, mit
einer ganzen Bandbreite mehr oder weniger
alltäglicher Thematiken. Gerade diese Spezialisierung
auf die "Randgruppen-Thematik" Schwule ist
für viele der (ohne Gage arbeitenden!)
Darsteller auch die wesentliche Motivation
für die Mitwirkung: Die Möglichkeit, ein
Spiegelbild der schwulen Lebensweisen zu
schaffen, wie sie gerade in Großstädten wie
Berlin gelebt werden, aber in den großen
"professionellen" Unterhaltungsserien kaum
Erwähnung finden, und
wenn doch, dann nur auf "auch dabei"
reduziert. Viele Fans und Zuschauer haben
auch durch ihren überwiegend positiven
Zuspruch zu den Produktionen deutlich
gemacht, wie sehr der Wunsch nach
Identifikationsmöglichkeiten mit schwulen
TV-Figuren vorhanden ist: So erreichen mich
immer wieder Anrufe von jungen Schwulen (die
gerade vor oder während des Coming-Outs
sind) und über das (anonyme Massenmedium) TV
erstmals mit der schwulen Welt in Berührung
kommen. Diese Zuschauer können sich in den
Protagonisten meiner Produktionen
wiedererkennen, sehen eigene Sehnsüchte und
Probleme im TV aufgegriffen und kommen
letztendlich zu der Erkenntnis : Ich bin
nicht der einzige Schwule auf der Welt!“
Dreharbeiten zu BERLIN BOHÈME Staffel 2
(2002)
(Foto: Michael Rost)
Presseveröffentlichungen
über
Andreas Weiß:
BOX Nr.129
(Ausgabe Nord-Ost), Februar 2004
(Das in der BOX
veröffentlichte,zweiseitige Interview mit
Andreas Weiß liegt im PDF-Format vor
und kann mit dem Acrobat-Reader geöffnet
werden!)
Interview mit
Andreas Weiß Teil 1 (PDF-Format)
Interview mit
Andreas Weiß Teil 2 (PDF-Format)
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FAZ
(Berlin-Seiten) 29.September
2001 Autorin: Stefanie
Flamm
Die
Perspektive
ändern - Andreas Weiß, Seifenopernlibrettist
Als Jugendlicher war
ich fernsehsüchtig. Ich habe alles geguckt,
Dallas, Denver Clan, Falcon Crest, die ganzen
Seifenopern, fünfzehn Stunden am Tag. Das war
während meines Coming-outs. Ich lebte damals
noch in Wolfenbüttel und habe gemerkt, daß ich
als Schwuler in einer Kleinstadt nicht frei
sein kann. Jahrelang habe ich mein eigenes
Leben deshalb einfach ausgeblendet und mich
mit Serienfiguren identifiziert. Daß ich nach
dem Mauerfall nach Berlin gehen würde, war für
mich einfach klar. Ich dachte, jetzt ist die
Stadt noch größer, da gibt es ein ungeheures
Potential an Möglichkeiten. In Berlin habe ich
dann beschlossen, mich nur noch mit Dingen zu
beschäftigen, die mir wirklich Spaß machen.
Zuerst habe ich eine Theatergruppe gegründet
und versucht, ein eigenes Stück auf die Beine
zu stellen. Darin ging es um das Coming-out
eines schwulen Prinzen. Die Schauspieler hatte
ich mir zusammengesucht, über Aushänge und
Kleinanzeigen. Leider gab es unter den
Mitwirkenden aber eine ständige Fluktuation,
wir mußten ständig die Rollen neu besetzen.
Nach einem Jahr habe ich dann begriffen, daß
es zu schwierig ist, mit einer Laiengruppe
kontinuierlich an einer Sache zu arbeiten.
Seit zehn Jahren
produziere ich Seifenopern , was verschiedene
Gründe hat. Zum einen gab es in Berlin damals
schon den offenen Kanal. Zum anderen war mir
schnell klar, daß ich ohne mich von jemandem
abhängig zu machen auf dem Kurz- oder
Spielfilmsektor nicht konkurrenzfähig sein
kann. Deshalb habe ich mich für das Genre Soap
entschlossen, da geht es um Masse statt
Klasse. Seifenoper ist ja: Zwei Leute sitzen
auf dem Sofa und sprechen einen Text. Da
braucht man keine Tricks. Da lernt man aus den
Fehlern der letzten Episode. Außerdem war ich
ja selber Serienfan und habe mich ja immer
über das Homo-Bild, das dort verbreitet wird,
geärgert. Mein Anliegen ist es, nicht nur die
gutverdienenden Yuppy-Homos zu zeigen, die
zwar schwul oder lesbisch sind, aber ihren
gutbürgerlichen Job haben und anerkannter Teil
der Gesellschaft sind. Gerade hier in Berlin,
da sehe ich, daß es Leute gibt, die sich mit
Jobs durchschlagen, die arbeitslos sind, von
Sozialhilfe leben. Da sind natürlich auch
viele Schwule und Lesben dabei.
Meine erste große
Produktion "Licht und Schatten" hatte noch gar
kein Drehbuch. Die Leute haben einfach nach
einer groben Vorgabe frei improvisiert. Das
war 1991. Es ging um Menschen, die in einem
Haus zusammen wohnen, ganz ähnlich wie bei
"Lindenstraße". Gedreht haben wir immer in den
Wohnungen der Mitwirkenden. Das, was die von
sich aus mitbrachten, ihre Wohnungen, ihren
Kleidungsstil, wurde in die Produktion
integriert. Die Leute spielen in meiner Arbeit
immer ein Stück weit sich selbst. Ich suche
mir Menschen, mit denen ich arbeiten will, und
schreibe denen Rollen auf den Leib. Das macht
das ganze realistischer. Daß jemand sich in
dieser Rolle nicht wohl fühlt, kommt nur ganz
selten vor. Einmal hat sich jemand geweigert,
einen Mörder zu spielen. Seiner Meinung paßte
das nicht in eine schwule Sendung, die für
Toleranz und Akzeptanz werben sollte.
Natürlich habe ich
immer erotische Elemente in den Beiträgen. Sie
bieten dem "normalen" Zuschauer einen Anlaß,
dranzubleiben. Das kann man mir natürlich zum
Vorwurf machen. Aber ich habe auch viele
andere Elemente. In "Berlin Bohème", die wir
letztes Jahr produziert haben, ist die
tragende Figur eine Tunte, die aber eben nicht
die übliche Bühnentrine ist, die sich abends
in einen Fummel schmeißt, sondern ganz normal
im Alltag ein Kleid trägt, sich schminkt und
auch dazu steht. Diese Tunte wird in einer
Episode von Faschos zusammengeschlagen. Aber
es war mir wichtig, daß wir nicht in die
Klischees vom Schwulen als Opfer verfallen.
Bei mir versucht sie, oder er, sich zu rächen.
Da habe ich auch von vielen Schwulen Kritik
bekommen. Wir würden so etwas nicht machen!
Aber das ist Unfug. Es gibt auch solche. In
"Montagsgeschichten" gibt es einen Schwulen,
der ein Alkoholproblem hat und mit seinem
Freund eine Kampf- und Krampfbeziehung lebt.
Ich versuche Figuren in Beziehungsformen zu
zeigen, die zumindest im Fernsehen nicht
üblich sind.
Meine Sachen laufen
inzwischen in vielen offenen Kanälen, in
Berlin wieder ab dem 1.November. Besonders von
Leuten, die gerade im Coming-out sind, bekomme
ich viele Reaktionen. Für die bin ich oft der
erste Kontakt zu einem anderen homosexuellen
Menschen. Aber eigentlich bin ich kein
geschulter Coming-out-Berater. Ich verdiene
meinen Lebensunterhalt durch den Verkauf
dieser Serien auf Video. So komme ich auf ein
Einkommen, das etwas über dem Sozialhilfesatz
liegt. Normalerweise kann ich davon gut leben.
Aber jetzt muß ich für eine Digitalkamera
sparen. Bisher habe ich alles auf Super-VHS
gedreht, und das ist nun wirklich rettungslos
veraltet.
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Transcript eines
Interviews mit Andreas Weiß:
(Für seine
Diplomarbeit führte Adrian Ortner,
Darsteller in Berlin Bohème Staffel 1,
folgendes Interview:)
Interview Andreas
Weiß. Berlin, 23.2.2001
Erzähl
einmal
wann du angefangen hast Fernsehserien zu
machen? Was war die Idee hinter deinen
Fernsehserien? Warum hast du angefangen
Fernsehserien zu machen und wieso
bezeichnest du diese Fernsehserien als
schwul -lesbische Fernsehserien...
Gab es zwei Hauptgründe: Der eine Grund war,
ich kam nach Berlin 1990 und habe mit ein
paar Laienschauspielern eine Theatergruppe
gegründet und wir haben fast ein Jahr lang
an diesem Stück geprobt, das dann letztlich
nie aufgeführt wurde, weil ständig irgendwie
nach zwei drei Monaten wie das bei
Laienschauspielern so ist, die dann
plötzlich keine Lust mehr hatten und dann
mussten die Rollen neu besetzt werden und
dann musste man mit den Proben quasi von
vorne anfangen. Aus dieser Erfahrung haben
dann so die Reste dieser Gruppe, die dann
nach einem Jahr noch übrig war, das
frustriert hingeschmissen und haben gesagt
wir müssen einfach irgendwas machen, wo man
am Ende des Monats ein Ergebnis hat auf dem
man aufbauen kann... und da hat sich einfach
das Genre Serie wunderbar angeboten. Weil
ich hatte auch schon vorher, bevor ich nach
Berlin kam, ein paar kleine Sachen mit Super
8 und auch dann auf Video gemacht und hatte
da auch schon ein bisschen was ausprobiert
und dachte: OK, dann kann ich auch drehen,
es muss nicht auf der Bühne sein es kann
auch Video
sein.
Und der zweite Grund eigentlich, was dann
danach kam: Serie ja, aber eben ganz stark
schwule und lesbische Themen zu nehmen, weil
es mich einfach gestört hat, wie Anfang der
Neunziger, abgesehen von den doofen
Ami-Soaps, also Steven aus Denver, gab es ja
kaum schwule Figuren in deutschen Serien
oder überhaupt in Serien. Da habe ich also
gesagt, wenn dann müssen Schwule rein in
diese Serie und die müssen vor allen Dingen
auch so dargestellt werden, dass sie nicht
diesen üblichen Tucki-Tucki Klischees
entsprechen, sondern wirklich so sind wie
sie sind. Das waren so die Gründe wieso ich
überhaupt angefangen habe Serien und vor
allen Dingen auch schwule und lesbische
Themen in Serien zu machen.
Dann habe ich die erste Serie gemacht und
die hatte in dem Sinne noch kein
Dialogskript, sondern nur eine grobe
Handlung und dann wurde quasi vorort
improvisiert.
Das war Licht und Schatten?
Licht und Schatten, ja. Das war ziemlicher
Trash, aber hat großen Spaß gemacht und wir
haben sehr, sehr viel ausprobieren können.
Ich selber hab auch ganz viele Sachen
ausprobiert, weil ich ja vorher zwar
praktisch keine Sachen gemacht habe, aber
eigentlich diese Erfahrung um mich hatte.
Also, das sehe ich sozusagen als meine
Lehrzeit diese zwei Jahre, wo ich mir Sachen
selber beigebracht hatte: Wie gehe ich mit
einer Kamera um? Welche Einstellungen kann
man machen? Und, und, und. Ja so technische
Details mitzukriegen, mitzukriegen, dass
wenn man eine Außenaufnahme dreht und es ist
windig, dann hat man halt ein Rauschen im
Ton und einfach so Kram rauszufinden, was
mir vorher nicht bewusst war. Einfach so
learning by doing und das ist dann immer so
geblieben, dass ich mit jeder Folge, mit
jeder Szene, die ich gemacht habe. Habe ich
was neues dazugelernt und habe dann die
Erfahrungen verwendet um die neuen
Dreharbeiten besser zu machen. Dann nach
zwei Jahren und 61 Folgen hatte ich auf
diese Art einfach keine Lust mehr... also so
ohne Drehbuch so drauf los zu improvisieren.
Das hatte sich also sehr totgelaufen und es
waren auch viele gute Leute ausgeschieden
und es war irgendwie dann so ein
Restpotenzial zwar noch da aber dann kamen
neue Leute dazu und die hatten dann nach
fünf Folgen schon wieder keine Lust mehr und
es war einfach alles ziemlich doof. Dann
habe ich bei Licht und Schatten einfach
einen Schlussstrich gezogen und dann war
nach der 61 Folge Schluss. Ohne Abschluss,
es gab nur einfach einen Bruch und das war
die letzte Folge.
Ich habe mich dann hingesetzt und ein
Drehbuch, ein richtiges Dialogdrehbuch
geschrieben und das war dann Traumtänzer.
Ich habe mir dann auch eine andere Kamera
zugelegt, ich habe vorher mit VHS gearbeitet
und bin dann auf Super VHS umgestiegen. Was
damals ja auch wirklich eine gute Qualität
war 94. Wo an digital noch gar nicht zu
denken war und habe dann eben Traumtänzer
gedreht. Das war am Anfang ein bisschen
holprig, weil ich zum Teil wieder mit den
Leuten gearbeitet hatte die vorher das
Improvisieren gewöhnt waren und jetzt
irgendwie Schwierigkeiten hatten mit einem
Dialogskript, aber das hat sich dann
eingespielt. Dann habe ich ein Jahr lang
Traumtänzer gemacht. Da wechselte die
Besetzung so teilweise aus. Ich hatte dann
aber am Ende von Traumtänzer 94 ein relativ
gutes Team zusammen und dieses Team von so
etwa zehn Leuten habe ich dann auch
geschlossen in die Montagskinder übernommen.
Die wesentlichen Montagskinder, also die die
wesentlichen Rollen spielen, die waren auch
schon bei den letzten Folgen von Traumtänzer
dabei. Teilweise auch in sehr ähnlichen
Konstellationen. Die Lori Anderson, also
Candy Candle, die hat in Montagskinder den
Jason als Bruder und den Ted als Ex-Ehemann
und bei Traumtänzer war das genau umgekehrt:
da war der Darsteller des Ted ihr böser
Bruder und der Darsteller des Jason war in
TT ihr Ex-Freund. Maya und Lisa waren in TT
auch schon ein lesbisches Paar, und Pawel
und Erik waren da auch schon ein schwules
Paar. Das waren so Konstellationen, die sich
schon dreißig Folgen eingespielt hatten. Das
machte dann diesen Qualitätssprung dann bei
den MK aus. Das also die ersten Folgen der
MK relativ gut schon sind, weil die Leute
eben zwei, drei, vier Monate zusammen
gespielt hatten, zwar in anderen Rollen aber bei
ähnlichen Konstellationen. Deswegen war MK
von der ersten Folge an besser als alles was
ich vorher gemacht hatte. Weil dieses Team
da war, das Team stimmte. Das hat die MK
auch das erste halbe Jahr, also 28 Folgen
auch wirklich getragen, bis dann nach der
28. Folge Candy Candle ausstieg... da kam
dann so ein Bruch, da stiegen vier fünf
Leute aus und es kamen ein paar neue dazu,
das war ein ziemlicher Bruch und das änderte
auch den ganzen Charakter der MK. Diese
trashigen Themen und diese abgehalfterte
Diva waren jetzt weg und es ging zu
realistischen Themen über, also diese
ehemalige Theatergruppe, die dann auf die
Idee kommt, sie könnte ja eine schwule
Zeitung machen und dann wird das alles
realistischer. Manche sagen dann, dass das
auch langweiliger wäre. Das ist
Ansichtssache: ich denke die zweite Staffel
hat genauso ihre Qualitäten wie die erste.
Sie hat halt von der Umsetzung her einen
anderen Charakter.
Dann kamen die Montagsgeschichten und dann
Berlin Boheme und dazwischen kam ja noch
Von Mann zu Mann.
Nach MK habe ich dann versucht ein schwules
Magazin zu machen. Das haben wir auch dann
sechs Folgen lang durchgezogen, kam aber
nicht an. Die ersten zwei Folgen, nachdem
sie im OKB gezeigt wurden, hat dann die
schwule Presse, bzw. gar nicht mal die
schwule Presse, sondern nur die Siegessäule,
hat also vernichtende Kritiken geschrieben,
wie immer bei meinen Produktionen. Durch
diese vernichtenden Kritiken sind die Leute,
die da mitgewirkt haben, also redaktionell
oder journalistisch oder als Moderatoren
oder was auch immer haben ihre Motivation
verloren. Dazu kam noch, dass ich für dieses
Magazin ein ganz klares Konzept hatte, also
ich wollte nicht irgend so ein Haiti Taiti
Party Magazin machen, sondern es sollte
immer schwerpunktmäßig sein "Schwul und...".
Es gab also das Thema "Schwul und
behindert", "Schwul und Ausländer", "Schwul
und Aids". Also, so quasi doppelte
Diskriminierung, so in diese Richtung. So
eine Untergruppe im Rahmen der Schwulen und
damit kamen viele teilweise überhaupt nicht
mit zurecht, weil das waren dann Themen mit
denen die Leute sich überhaupt nicht
auseinandergesetzt hatten oder wo sie
teilweise Vorurteile hatten, so das ich
dachte: "Mein Gott, mit was für Leuten
arbeite ich hier zusammen."
Wie hieß das Magazin?
David. Am Anfang gab es ein Team von 12
Leuten. Die sechste Folge hatten wir
irgendwie nur noch zu dritt produziert, weil
irgendwie alle anderen abgesprungen waren
und dann haben wir gesagt OK, jetzt ist
Schluss mehr als sechs Folgen machen wir
nicht.
Dann habe ich gesagt, Schuster bleib bei
deinen Leisten, knüpf da an wo ich
erfolgreich war, mach ich eine neue Soap.
Habe eben bewusst den Titel gewählt,
Montagsgeschichten, um einfach dieses Wort
Montag im Titel zu haben, um einmal
anzuknüpfen obwohl es eine völlig neue Story
war und gar nichts mehr mit MK zu tun hatte
um einfach irgendwie an das Thema
anzuknüpfen, an den Markennamen MK
anzuknüpfen und natürlich auch bewusst, was
ja heute immer wieder passiert, diese
Verwechslung zu provozieren, dass die Leute
einfach die beiden Serien durcheinander
schmeißen. Von irgendeinem reden und dann
eigentlich wen aus der anderen Serie meinen,
das passiert immer wieder und dadurch ist es
im Gespräch, das ist schon bewusst so
gemacht. Der wesentliche Unterschied
zwischen MK und MG ist eigentlich, dass MK
noch sehr gemischt war. Da waren sehr, sehr
viele Frauen dabei und es gab ja auch das
lesbische Paar und es gab ja auch ein, zwei
heterosexuelle Männer oder Rollen. Bei MG
war es dann so, dass bis auf zwei Frauen und
einige Gastdarstellerinnen, eigentlich nur
schwule Männer als Hauptfiguren da waren.
Das war der Unterschied, dass man 12, 13
schwule Männer hatte, die da im Mittelpunkt
stehen, die alle unterschiedlich waren und
wo ich so auch zeigen konnte schwul heißt
nicht so ein bestimmtes Klischee zu
erfüllen, sondern hat ganz unterschiedliche
Charaktere. Das fängt also an bei dem
Klemmer über den Spießer über die Tunte bis
hin zu dem irgendwie Proleten mit teilweise
sehr rechten Tendenzen und die sind alle
schwul. Aber ansonsten ist das ein
Querschnitt der Gesellschaft, wie du ihn
überall findest. Das war mir irgendwie ein
Anliegen, das zu machen. Dass du dann da
nicht so drei, vier bestimmte Stereotypen
hast, die dann die schwule Richtung
verkörpern sondern, dass du wirklich aus
jedem Bevölkerungsgrad oder jedem
Bildungsgrad Leute hast die dann eben schwul
sind, aber das ist auch das einzige was sie
gemeinsam haben. Das war sehr spannend, das
hat großen Spaß gemacht. Da hat sich also
auch wieder ganz schnell
herauskristallisiert... ich hatte die Serie
auf Dauer angelegt und wollte auch mehr
Folgen machen, aber nach 25 Folgen hatte
sich herauskristallisiert, dass wesentliche
Leute nach fünf Monaten Drehzeit die Lust
verlieren. Dann habe ich gesagt nach dreißig
Folgen da machen wir den Bruch und machen
nicht wie geplant 50 Folgen... das war dann
auch OK. Das war dann erstaunlicherweise die
Serie die auf Video am besten vertrieben
wurde, weil es eben diese rein schwule
Produktion war. Während die bekannteste ist
immer noch die MK, obwohl sie mir finanziell
nicht so viel gebracht hat.
Dann habe ich eine Pause von ein paar
Monaten gemacht und dann im Dezember 98, ich
mache meine Produktionen irgendwie immer im
Winter... bin also ein Winterkind. Da kann
ich am besten arbeiten. Dann habe ich 98
diese Erotikserie gemacht Von Mann zu Mann,
die war eigentlich auch länger konzipiert.
Die war eben so konzipiert, dass man ein
bisschen weiter geht, dass man eben wagt
schwule Erotik im Fernsehen eben so in der
Art wie das in diesen billigen Erotikfilmen
ja Gang und Gäbe ist, dass du da irgendwie
die halbe Handlung hast und der Rest sind
irgendwelche Erotikszenen gefilmt. So krass
wollte ich das natürlich nicht machen, ich
habe schon irgendwie geguckt, dass ich in
einer dreißigminütigen Folge zwei Clips a
drei Minuten habe, dass ein Fünftel der
Handlung Erotik ist. Aber dennoch gab es in
dieser Erotikserie immer wieder Aufregung,
auch gerade mit den Mitwirkenden, die dann
teilweise doch nicht so weit gehen wollten
oder dann plötzlich Probleme hatten sich
auszuziehen, obwohl das bei dem Casting und
vorher alles ganz klar war. Einige gute
Leute sind dann auch weggezogen und einer
hatte dann einen neuen Job und hatte keine
Zeit mehr. Dann habe ich also nur 12 Folgen
gedreht, obwohl es viel länger geplant war.
Hat mir auch großen Spaß gemacht, aber ich
weiß, dass wenn ich es wieder machen würde,
dann würde ich es nur mit Leuten machen, wo
ich ganz klar und eindeutig weiß sie haben
kein Problem damit eine Erotikszene zu
spielen, weil das war im Endeffekt der
Knackpunkt, dass ich zwar in den letzten
Folgen einen Rattenschwanz an Mitwirkenden
hatte, aber dass ein Großteil von diesen
Mitwirkenden sich nicht ausziehen wollte.
Das hieß ich musste die Erotikszenen doch
wieder auf drei oder vier Leute beschränken.
Das war dann irgendwann langweilig, das fand
ich auch schade, weil man hätte mehr daraus
machen können. Es gab auch Erotikszenen, wo
es wirklich zwischen den Leuten geknistert
hat, wenn ich da nicht gesessen hätte mit
meiner Kamera, dann weiß ich nicht, was da
passiert wäre. Genauso gut gab es auch
Erotikszenen, wo sich die Leute auf den Tod
nicht leiden konnten und irgendwie so diese
Szene da krampfig machten und ich dann
irgendwie mit Schnitt und Nachvertonung und
Musik da rausholen musste was ich rausholen
konnte. Erstaunlicherweise gerade bei einer
Szene, wo sich die Typen überhaupt nicht
abkonnten ist diese Erotikszene besonders
gut geworden.
Welche Szene war das?
Die in der dritten Folge mit dem Axl und
dem... wie hieß denn der andere? Die beiden
konnten sich überhaupt nicht ab, aber na gut
den Axl konnte ja niemand leiden, das war
also ganz schlimm. Die Szene ist wirklich
nicht schlecht geworden, gerade mit diesem
leichtroten Ton und dieser Musik. Vor dieser
Spiegelwand diese Gegenschnitte, das wirkte
sehr gut, das merkst du der Szene nicht an,
dass die sich überhaupt nicht leiden können.
99 habe ich Pause gemacht und nur im Februar
die Dokumentation gemacht, wo ich also
ziemlich viele Leute von den MK und auch von
den MG nachträglich vor die Kamera geholt
habe zu einem Interview.
Was war das für eine Dokumentation?
Da habe ich die Leute im Nachhinein von
ihren Erfahrungen berichten lassen. Warum
sie mitgewirkt haben, wie die Dreharbeiten
für sie waren, was für Erinnerungen sie
hatten, was ihnen Spaß gemacht hat, was
ihnen das gebracht hat. Solche Fragen haben
sie beantwortet, wo ich mich auch bewusst
mit Kommentaren zurückgehalten habe. Das kam
mir dann wieder zugute, das hat mir dann
wieder gezeigt: Dieses gute Team von MK.
Fast alle aus diesem guten Team waren dann
auch bei der Dokumentation dabei. Während
bei den MG, hatte ich von den wesentlichen
Hauptfiguren, die sich im Nachhinein
distanziert haben und die eben nicht bereit
waren zu einem Interview zu erscheinen. Das
heißt ich hatte in dieser Dokumentation, vor
allem bezogen auf die MG, in erster Linie
die kleineren Hauptrollen bzw. die
Nebenrollen, während von den MK die
wesentlichen dabei sind. Candy, Pawel, Lisa,
Erik, die sind alle dabei. Aber bei MG
Fehlen einfach die wesentlichen Darsteller.
Die wollten einfach kein Interview geben.
Ich habe mehrmals gefragt: aber entweder es
wurde herumgedruckst oder es hat sich keiner
zurückgemeldet oder haben mir knallhart
gesagt: Nein damit will ich nichts mehr zu
tun haben. Also, einige Leute hatten auch im
Nachhinein ein Problem damit. In einem Fall
gab es eine Erotikszene, die beim Drehen
sehr schön war und auch bei der Premiere bei
den Mitwirkenden sehr gut ankam, aber dann
hat dieser Mensch dummerweise seinem sehr
eifersüchtigen Freund diese Szene gezeigt
und hatte von da an die Hölle auf Erden, so
nach dem Motto: Wie kannst du so was machen
und blah. Nachdem die Folge fertig war kam
er an und fragte mich ob ich diese Szene
nicht rausschneiden könne. Da habe ich
gesagt: Tut mir leid, das geht nicht. Ich
kann nicht aus meinem fertigen Sendeband
plötzlich eine Szene rausschneiden, dann
wäre eine Lücke drin. Das war nicht möglich
aufgrund meiner Schnitttechnik. Ich hätte
natürlich für die Sendeausstrahlung aus dem
Band was rausnehmen können. Aber das wollte
ich nicht machen, ich fand die Szene sehr
schön. Das war diese eine Dreierszene aus
den MG. Die anderen Beiden, die da
mitgespielt haben, fanden die auch schön und
hatten keine Probleme damit und warum sollte
ich dann nur weil der eifersüchtige Freund
von einem der Mitwirkenden da ein Problem
hat und deswegen da die Szene rauszunehmen
und deswegen war dann dieser Darsteller
irgendwie sauer und hat mir dann deswegen
dieses Interview dann verweigert. Das fand
ich dann sehr schade. Das war die
Dokumentation, dann habe ich wieder Pause
gemacht. Dann war wieder Winter. November
oder Dezember... wieder Steinbockzeit. Da
habe ich dann Berlin Boheme gedreht. Das war
dann das besondere als Unterschied zu meinen
bisherigen Produktionen. Ich versuche ja
immer Sachen zu machen, die ich in diesem
Sinne nicht gemacht habe, dass eben alles in
einem Raum spielt und in Echtzeit spielt. Es
gibt keine Zeitsprünge, keine Ortswechsel,
so das man das Drehbuch nehmen könnte und
das als Theaterstück aufführen könnte. Das
war eben das besondere bei Berlin Boheme,
dass man sehr eingeschränkt war dadurch,
dass man nur einen Raum hatte, was aber dem
Ganzen eine bestimmte Qualität gab, von
Kammerspiel, was es im deutschen Fernsehen
kaum mehr gibt. Die fand ich immer, wenn sie
gut gemacht waren sehr interessant. Weil man
alles auf einen Raum beschränkt und die
ganze Handlung in den Raum getragen werden
muss. An sich die Mittel des klassischen
Dramas, dass die Außenwelt durch Boten
hereingetragen wird. Das jemand hereinkommt
und etwas erzählt. Telephon klingelt ja sehr
selten in der Serie. Die Serie war von
vornherein aufgrund meiner Erfahrungen auf
kurzen Zeitraum angelegt. Statt der
geplanten 12 sind es dann 11 Folgen
geworden, aber ich denke das war dann auch
OK. Da war eben auch die Herausforderung,
dass wir eben relativ chronologisch bis auf
wenige Ausnahmen gedreht haben. Das also die
Darsteller die ganze Handlung in der
richtigen Reihenfolge nachspielen. Das gibt
sehr viel für die Darstellungsweise, wenn
man das irgendwie chronologisch abdreht. Das
bringt eher was, als wenn man kreuz und quer
dreht und hinterher wird es irgendwie
zusammengestückelt, dann hat man diese
Emotion in Erinnerung. Dann denkt man in
dieser Szene war ich so und so und das wende
ich jetzt wieder an. Das ist schon eine
andere Arbeitsweise. Dadurch waren es auch
relativ lange, intensive Drehtage. Es gab
auch viele Drehtage, wo die Leute dabei aber
dann nichts zu tun hatten. Das war natürlich
wegen der Produktionsweise, bei den anderen
Serien war das so, dass die Szenen von
gewissen Hauptfiguren an einem Tag gedreht
wurden. Bei BB waren alle Hauptfiguren bei
fast jedem Drehtag dabei. Das ist eine ganz
andere zeitliche Beanspruchung, was auch
dazu geführt hat, dass gar nicht mehr als
drei Folgen im Monat gedreht werden konnten.
Zum Vergleich: Bei MK habe ich sechs Folgen
im gleichen Zeitraum gedreht.
[...]
Wie werden deine Serien eigentlich
vertrieben? Wie finanzierst du eigentlich
die Produktion deiner Serien?
Finanziert werden sie von mir. Quasi eine
Vorfinanzierung. Wobei, bei dieser
Finanzierung halt nur gerechnet werden kann,
das Material. Das heißt ich zahle die
Videokassetten und so alles was man dazu
braucht, die Kopien vom Drehbuch, die
gesamten Materialkosten, die trage ich. Das
sind einmal die Produktionskosten mit denen
ich rechne. Ich selber arbeite de facto
umsonst, die Mitwirkenden arbeiten auch
umsonst. Die Drehorte, alles, kriegen wir
auch umsonst. Also, es sind ja meistens
Wohnungen von den Mitwirkenden. Manchmal
sind es ja Außenaufnahmen oder Aufnahmen von
irgendwelchen öffentlichen Räumen, aber zu
90 % sind es ja wirklich Wohnungen. Das sind
ja auch meistens wirklich Wohnungen von den
Leuten die da mitspielen, die dann quasi in
der eigenen Wohnung drehen. Die Kosten die
eben anfallen sind eben Material, die werden
von mir vorfinanziert. Anschließend, wenn
die Serie fertig ist versuche ich irgendwie
Werbung dafür zu machen, indem ich an
irgendwelche Zeitungen Demobänder schicke
und hoffe, dass die Artikel drüber schreiben
usw. Seit neuestem mache ich im Internet
Werbung dafür mache und dann hoffe, dass
eben Leute das interessant finden und sich
das dann auf Video bestellen. Und dadurch
habe ich dann so geringe Einnahmen. Also,
ich habe es bislang bei all meinen Serien
geschafft... toi, toi, toi... dass ich
zumindest diese Produktionskosten wieder
drin hatte und auch einen Gewinn hatte. Es
gab Serien bei denen ich relativ viel Gewinn
gemacht hatte, wie MG. Das lag aber dann
daran, dass es dann wirklich zwei, drei gute
Presseartikel gab. Also, das ist wirklich
das A und O, und dass ich bei MG auch ein
wirklich sehr durchschlagendes Photo hatte.
Ich hatte also zwei Photos: ein Gruppenphoto
von den 12, 13 männlichen Hauptdarstellern,
wo sie alle so schön, wie auf einem
Familienphoto stehen. Das zweite Photo, wo
sie auch so stehen, aber nichts mehr
anhaben. Sie waren halt so postiert, dass
man die Männlichkeit nicht gesehen hat, das
war alles schön verdeckt. Aber das hat es
dann interessant gemacht, so dass dann viele
Zeitungen beide Photos so als Kontrast
nebeneinander abgedruckt haben. Das hat ein
ganz großes Feedback auch gebracht und
dadurch haben sich die MG auch ganz gut
verkauft. Diese Photos wurden dann auch in
der "Männer aktuell" und in der "Adam"
abgedruckt, das hat ganz viele Leute
angesprochen. Also, das ist auch immer so
ein A und O, was für eine Kampagne da drum
gemacht wird.
[...]
Du bezeichnest deine Serien als
schwul-lesbische Fernsehserien. Wie
definierst du eine schwul-lesbische
Fernsehserie?
Erst mal ist es eine Fernsehserie, wie viele
andere auch. Aber ich glaube, dass der
Anteil an schwulen und lesbischen Themen
einfach größer ist. Was auch ganz klar ist,
weil frag mal einen Schwulen nach dessen
Bekanntenkreis. Jetzt nicht irgendwie
einsame Werft auf dem flachen Land, sondern
in einer mittleren oder größeren Stadt. Frag
einen Schwulen oder eine Lesbe nach dem
Bekanntenkreis. Der Bekanntenkreis wird zu
einem Großteil auch schwul und lesbisch
sein, das ist einfach so. Nicht alle, aber
einfach ein Großteil, weil man kennt sich.
Und diese Lebenswirklichkeit wird in anderen
Fernsehserien einfach nicht dargestellt. Da
gibt es dann zwar ein schwules Paar, aber
außer diesem schwulen Paar gibt es keine
anderen schwulen Figuren. Höchstens mal
irgendwelche Statisten, die dann einmal da
sind. Aber es wird keine schwule
Lebenswirklichkeit dargestellt. Diese
Wirklichkeit ist ja nicht so, dass die als
glückliche Zweierbeziehung aufeinander
beschränkt sind. Das ist der wesentliche
Unterschied, dass ich so viele
unterschiedliche schwule und lesbische
Charaktere habe, dass es ein Stück mehr der
Lebensrealität von Schwulen und Lesben näher
kommt, als wirklich in anderen Serien, wo du
nur ein Vorzeigepärchen hast. Oder sogar
manchmal nur eine Figur und die andere ist
dann manchmal sogar wieder zwischendurch
heterosexuell und wird dann wieder gebrochen
oder sonst was. Und das ist der wesentliche
Unterschied, warum meine Sachen wirklich
schwul-lesbische Fernsehserien sind, weil
sie die Lebenswirklichkeit darstellen, die
sonst vielleicht in irgendeinem netten
Spielfilm dargestellt werden. Aber in Serie
für ein Massenpublikum, in dem Sinne, noch
nicht gibt. Und ich denke die Zeit ist
einfach auch reif dafür. Die deutschen
Kabelsender trauen sich noch nicht, aber
eigentlich ist die Zeit reif dafür, wie man
in England mit Queer as Folk gesehen hat.
Gerade weil es auch viele Proteste gab und
gerade weil auch viele sagten: "Scheiß
schwule Serie" und so, gerade deswegen hat
es ja auch so einen Erfolg gehabt, sonst
hätten sie ja nicht noch einen Vierteiler,
ruck-zuck, drangehangen.
Was denkst du von QAF, wie siehst du die
Serie?
Ich habe nur die ersten vier Folgen gesehen.
Prinzipiell finde ich gut, dass es das gibt
aber wenn ich es mit meinen Serien
vergleiche haben die nichts anderes gemacht.
Klar sie hatten bessere Qualität, die hatten
mehr Geld, die konnten schnelle tolle
Effekte machen und Szenen in der Disko und
mit vielen Statisten und alles Mögliche.
Aber so von der Thematik her, so
unterschiedliche schwule Charaktere, die sie
aufeinanderprallen lassen. Dazu noch so ein
paar Reizthemen, so wie der eine der noch
minderjährig sein soll. Man sieht ihm das
zwar an, dass er fast 20 ist, aber er soll
halt minderjährig sein in der Handlung. Hier
und da eine nette Erotikszene in der
Handlung drin. Das war alles schön gemacht,
aber es war im Endeffekt das was ich seit
zehn Jahren mache. Ich fand die Serie nett,
aber sie hat mich nicht so vom Hocker
gerissen. Es war für mich nicht so was
umwerfend neues. Klar für alle anderen
schon, weil gab es im Profifernsehen noch
nicht. Ich kann es natürlich nicht sagen,
aber ein Jahr bevor QAF gedreht wurde kam
ein englisches Fernsehteam zu mir, auch eben
von Channel 4 und hat eben über meine Serie
MG einen kleinen Bericht gemacht. Ein paar
Ausschnitte gemacht, ein paar Interviews.
Einen locker, flockigen, witzigen Bericht.
Der lief in einem sehr populären Magazin auf
Channel 4, dem Eurotrash. Vielleicht ist da
irgendwer bei Channel 4 auf die Idee
gekommen, Hoppla das könnte man ja mal
machen. Also, ich könnte es mir vorstellen,
da es da einen Zusammenhang gibt. Ich könnte
es nicht beweisen, aber sicherlich hat sich
da jemand die Anregung geholt und hat gehört
das könnte eine Marktlücke sein.
Richtest du dich an ein spezifisches
Publikum mit deinen Serien?
Ich richte mich natürlich an Schwule und
Lesben, ansonsten richte ich mich an den
Serienfan. An Leute, die sich für Serien
interessieren und auch an Leute, die mal
eine andere Serie sehen wollen, als die
übliche Serie. Auch an Leute, die mal Lust
haben eine kleine Erotikszene zu sehen. Oder
auch mal einen nackten Mann, wirklich völlig
nackt zu sehen. In den üblichen Serien hört
es ja bei den Männern am Bauchnabel und bei
den Frauen über der Brust auf. Oder sie
steigen nach dem geilen Sex in der
Unterwäsche aus dem Bett, also das muss auch
sehr schön gewesen sein. Es richtet sich
schon an Leute, die damit kein Problem
haben, die Lust haben was anderes zu sehen.
Ich kriege auch des Öfteren Resonanzen von
heterosexuellen Zuschauern, sehr oft von
Frauen, die sagen "ja finde ich gut und da
sieht man nackte Männer". Oder gerade wenn
ich spezielle Reizthemen hatte, wenn es dann
eine angedeutete SM-Beziehung gab, wo der
eine Maso (Masochist) war und dann es eben
geil fand sich quälen und schlagen zu
lassen. Dass dieser Darsteller eben auch
ganz oft angesprochen wurde und zwar nicht
von irgendwelchen anderen Schwulen in der
Szene, sondern wie er mir erzählt hat von
einer total spießig aussehenden Frau auf dem
U-Bhf. Mit Kind. Die hat er Kind
weggeschickt und hat gemeint "ja find ich
toll, mein Mann steht da auch darauf, machen
sie mal weiter so". Also, es haben Leute
wirklich offensichtlich das Bedürfnis,
mindestens einen Teil ihrer Lebensrealität
widergespiegelt zu sehen und nicht nur
irgendwie dieses wie in den üblichen
Seifenopern. Was ist denn die typische
schwule Karriere in einer Seifenoper: Typ
verliebt sich in einen anderen. Der ist
zurzeit noch hetero- oder bisexuell, wird
dann irgendwann schwul. Dann hat er Probleme
mit seinem Coming-Out. Dann haben sie
eventuell mal eine zeitlang Angst vor Aids
und der eine kriegt es vielleicht oder
vielleicht auch nicht. Und anschließend
dürfen sie dann sterben oder nach Australien
verreisen. Das ist die Karriere und dann ist
das schwule Thema abgegessen. Und das hat
nicht wirklich so viel mit der schwulen
Lebenswirklichkeit zu tun.
Also war es dir auch ein Bedürfnis das so
im Fernsehen zu sehen irgendwo...
Also, es wäre mir früher, als ich so... Ich
habe sehr lange für mein Coming-Out selber
gebraucht und um selber mit mir klar zu
kommen. Und da haben mir sagen wir mal
Vorbilder oder realistische Darstellungen
gefehlt. Damals gab es wirklich nur Steven
aus Denver-Clan. Und das wirklich so eine
verkorkste, absurde Figur, die immer je
nachdem wie gerade der Wind in Amerika
wehte, dann wieder hetero wurde oder dann
wieder heiraten durfte... Da gab es in dem
Sinn kein Vorbild, das fehlte. Ich denke
auch das mir das schneller gezeigt hätte:
Ich bin nicht der einzige Schwule auf dieser
Welt. Womit man sich dann als Jugendlicher
eigentlich auch rumplagt. Keine
Ansprechpartner, gar nichts. Dann ist man
praktisch gezwungen mit sich selber zu Recht
zukommen, in einer Stadt mit 50000
Einwohnern, das ging noch. Schlimmer geht’s
denen, die aus einem Dorf mit 300 kommen.
Aber letztlich gab es da keine schwule
Kneipe. Es gab eine Kneipe, wo man eben
hinter vorgehaltener Hand munkelte, dass der
Besitzer schwul ist. Aber ansonsten gab es
da keinen schwulen Treffpunkt, nichts und
das gibt es bis heute nicht. Man muss dann
immer 20 km in die nächste größere Stadt
fahren, um dann ein oder zwei schwule Läden
zu haben und das sind dann auch die absolut
doofen Spießerläden. Da bin ich auch ganz
froh, weil da im offenen Kanal Wolfenbüttel
und Braunschweig laufen meine Sendungen
jetzt. Also, wenn da jetzt Leute sind, die
in der Situation sind, in der ich vor 20
Jahren war. Die haben zumindest, wenn sie
den offenen Kanal sehen können und wissen,
dass das läuft, einen ganz anderen Umgang
mit. Wenn das schon im Fernsehen kommt, dann
ist es einfach ein Stück Normalität. Da hat
sich natürlich zugegeben in den letzten
Jahren sehr viel geändert, weil es die
Fernsehsender, so als schmückendes Modethema
auch entdeckt haben. Das hat natürlich ein
bisschen zur Normalität beigetragen. Aber es
ist halt immer noch Beiwerk, es ist Schmuck
und so ein bisschen Kitzel. So tun wir mal
was für die Randgruppen, aber es ist noch
keine Motivation dahinter. Eigentlich müsste
das von den öffentlich Rechtlichen kommen.
Bei den Privaten erwarte ich das noch nicht
einmal, weil da weiß man ganz genau, dass
die nur auf Quote machen. Aber bei den
öffentlich Rechtlichen erwarte ich das
eigentlich. Da müsste es eigentlich kommen,
weil die sind ja in dem Sinne als
Minderheitenprogramme konzipiert worden und
die erfüllen ja ihren Auftrag heute gar
nicht mehr. Die sind ja nix anderes als
Konkurrenz für ARD und ZDF. Die haben
tagsüber ein bisschen Schulfernsehen um da
irgendwie einen Pseudoauftrag zu erfüllen
aber letztlich abends haben sie genauso ein
Vollprogramm mit irgendwelchen komischen
zigmal gezeigten Spielfilmen und schlechten
Serien, wie ARD und ZDF auch. Die Bedeutung
des dritten Programms als
Minderheitensender, als Lokalsender ist
nicht mehr gegeben. (...)